Kommunalinfo zu G8/G9

Liebe Freundinnen und Freunde,

das Thema G8/G9 war im letzten Jahr verstärkt in der Diskussion. Auch die Grünen haben sich positioniert und ein Konzept zu „Individuellen Lernzeiten“ vorgelegt. Es macht Schluss mit dem Streit um alte Schulstrukturen und lenkt den Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lernzugänge der Schüler*innen. Es würde gewährleisten, dass an allen Gymnasien der Weg zum Abitur sowohl nach acht wie nach neun Jahren möglich ist. Das Konzept hat auch Eingang in das Grüne Wahlprogramm gefunden. Andere Fraktionen und Parteien haben ebenfalls Konzepte vorgelegt. Die Frage wird deshalb im Wahlkampf und sicher auch bei den Koalitionsverhandlungen spannend bleiben.

Die Elterninitiative „G9-jetzt-NRW“ hat im vergangenen Jahr Unterschriften gesammelt, um ein Volksbegehren durchführen zu dürfen. Genau dieses ist jetzt gestartet: Die Kommunen sind verpflichtet, Listen öffentlich auszulegen, in denen Bürger*innen sich eintragen können, die das Volksbegehren unterstützen. Dafür ist ein Jahr Zeit. Wo die Listen ausliegen und zu welchen Zeiten, legt die Kommune fest.

Vor Ort wird nun verstärkt auf das Volksbegehren hingewiesen und von verschiedener Seite dafür Werbung gemacht.

Aber aus gutem Grund ist Vorsicht geboten. Wer grundsätzlich für G9 ist, sollte genau hinschauen, für was er oder sie unterschreibt. Eine Unterschrift ist nicht einfach ein Votum für längeres Lernen oder mehr Zeit für Schüler*innen am Gymnasium. Die Initiative zielt auf eine besondere Ausgestaltung und möchte am liebsten zum alten Halbtagsgymnasium zurück. Das Volksbegehren hat einen konkreten Gesetzesvorschlag zum Gegenstand. Er kann nur in Gänze abgelehnt oder angenommen werden. Bei näherem Hinsehen hat er auch Bestandteile, die manchem und mancher Unterstützer*in nicht bewusst sein dürften:

Der Gesetzesentwurf sieht eine Reduzierung der Pflichtstundenzahl in den Sekundarstufen I und II vor – und zwar in allen Schulformen.

Was bedeutet das konkret?

· Auch in Haupt-, Real-, Gemeinschafts-, Sekundar- und Gesamtschulen würden Stunden wegfallen. Es sind vor allem die Ergänzungsstunden, die gestrichen werden müssten. Stunden, die bislang für individuelle Förderung und Unterstützung zur Verfügung stehen.

· Die Schulzeitverkürzung am Gymnasium betraf den Bereich der Sekundarstufe I. Die Sekundarstufe II, die gymnasiale Oberstufe an Gymnasien, Gesamtschulen und Berufskollegs hatten und haben die gleichen Bedingungen. Mit der Stundenreduzierung würden die Wahlmöglichkeiten in der Oberstufe empfindlich eingeschränkt.

Was steckt dahinter?

Die Initiative G9-jetzt-NRW möchte die Mehrkosten eines G9-Gymnasiums durch Stundenstreichungen an anderen Schulformen finanzieren.

Die Landeselternschaft integrierter Schulen, die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule und die Schulleitungsvereinigung Gesamtschule haben in einer gemeinsamen Stellungnahme auf diese Zusammenhänge hingewiesen.

Sie schreiben: „Es darf nicht sein, dass alle Schülerinnen und Schüler aller Schulformen mit der Reduzierung ihrer Lernzeiten und damit mit einer Verringerung der Chancengleichung dafür zahlen, dass ein Teil der Gymnasialeltern ihre Kinder wieder mittags zu Hause begrüßen möchte.“

Auch die Stadtschulpflegschaften von Köln, Bonn und Duisburg haben in einer gemeinsamen Stellungnahme eine ähnliche Position bezogen: „Kein Zurück zu G9 auf Kosten anderer Schulformen! Eine Reduzierung der Wochenstunden von 188 auf 180 aller Schulformen zugunsten einer „kostenneutralen“ Einführung von G9 raubt Bildungschancen.“ Weiter heißt es: „Die Stadtschulpflegschaften möchten mit dieser deutlichen Positionierung dringend zu einer Versachlichung der Diskussion aufrufen, dies mit Blick auf eine zukunftsorientierten Reformierung des Gymnasiums im Kontext eines sich stark wandelnden Schulsystems.“

Wir sind überzeugt:

· Eine Verbesserung für Schüler*innen des Gymnasiums sollten nicht durch eine offensichtliche Benachteiligung der Schüler*innen anderer Schulformen erkauft werden.

· Der Weg zurück zum alten Halbtagsgymnasiums ist kein Schritt in die Zukunft. Dahinter steckt ein konservatives und überholtes Familien- und Gesellschaftsbild. Auch Gymnasialeltern haben heute andere Bedarfe der Betreuungszeiten, auch am Gymnasium ist die Schülerschaft heterogener, vielfältiger geworden. Auch Gymnasialschüler*innen haben ein Recht, in der Schulzeit individuell gefördert zu werden. Es gibt überdies keinen Zwang zu Ganztag.

· Die Diskussion um Schulzeit muss differenzierter geführt werden und stärker das Kind beziehungsweise den Jugendlichen in den Mittelpunkt stellen, als es mit einem Ja oder Nein zu diesem Gesetzentwurf möglich ist.

 

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